Anne Stangenberg

Heilpraktikerin (Psychotherapie)

Wenn der Alltag zur Bühne wird


  • Was ist Masking überhaupt?
  • Warum tun Menschen das – und zu welchem Preis?
  • Wie fühlt sich Masking aus der Innenperspektive an?
  • Was geschieht, wenn Masking zur Gewohnheit wird?
  • Und: Gibt es Wege, sich selbst wieder näherzukommen?

Masking – was es bedeutet, sich zu verbergen

Viele Erwachsene im Autismus-Spektrum leisten tagtäglich etwas, das kaum jemand sieht. Sie beobachten, imitieren, passen sich an. Nicht weil sie dazugehören wollen – sondern weil sie es müssen, um nicht aus dem Rahmen zu fallen. Dieses Phänomen nennt sich Masking – das Verbergen autistischer Merkmale im sozialen Miteinander. Für Außenstehende ist es oft unsichtbar. Für die Betroffenen ist es ein Kraftakt, der das ganze Leben durchdringen kann.

Masking ist nicht einfach nur eine Strategie, sich sozial „korrekt“ zu verhalten. Es ist ein tief verinnerlichter Mechanismus, der sich häufig schon früh im Leben entwickelt – meist in der Schule oder sogar im Elternhaus. Dann, wenn deutlich wird: So, wie ich bin, bin ich zu viel, zu laut, zu still, zu anders. Die Maske wird zur Überlebenshilfe – nicht aus Täuschung, sondern aus Schutz.

Doch was passiert, wenn ein Mensch dauerhaft das eigene Wesen zurückhält, um zu funktionieren?

Maskieren bedeutet spalten

Wer maskiert, lebt oft in zwei Welten: In der einen wird gelächelt, genickt, Augenkontakt gehalten, Smalltalk geführt. In der anderen herrscht Rückzug, Erschöpfung, Selbstzweifel. Die sozialen Rollen, die man spielt, sind perfekt einstudiert – aber sie sind eben Rollen. Und die Trennung zwischen dem inneren Erleben und dem äußeren Verhalten kann mit der Zeit belastend, ja zerstörerisch werden.

Nicht selten berichten Menschen aus dem Autismus-Spektrum von einem Gefühl innerer Leere, von Entfremdung – sogar von Depressionen oder dem sogenannten Autistic Burnout, einem Zustand völliger mentaler und körperlicher Erschöpfung nach Jahren des ständigen Anstrengens. Wer ständig Masken trägt, vergisst irgendwann, wie sich das eigene, unverfälschte Gesicht anfühlt.

„Ich wusste irgendwann selbst nicht mehr, wer ich bin“

So oder ähnlich klingt es oft, wenn man mit erwachsenen Autistinnen und Autisten spricht, die viele Jahre lang maskiert haben. Vielleicht erkennen auch Sie sich in solchen Gedanken wieder:

  • „Ich kann gar nicht sagen, was ich wirklich will – ich habe mich immer an anderen orientiert.“
  • „Ich funktioniere, aber ich lebe nicht.“
  • „Ich kann nicht mehr unterscheiden, was ich wirklich fühle – oder ob ich das gerade nur so spiele.“

Diese Sätze sind keine Übertreibung. Sie sind Zeugnisse tiefer Erschöpfung – aber auch Zeichen dafür, wie überlebenswichtig dieses Maskieren offenbar war. Denn niemand maskiert freiwillig. Es ist eine Reaktion auf eine Umwelt, die kaum Raum lässt für Anderssein.

Warum es so schwer ist, damit aufzuhören

Das Erkennen des eigenen Maskings ist oft der erste, schmerzhafte Schritt. Und dann kommt die Frage: Wie soll es weitergehen? Kann ich die Maske ablegen? Soll ich das überhaupt? Was geschieht, wenn ich mich zeige?

Viele Menschen, die beginnen, das eigene Maskieren zu hinterfragen, erleben ambivalente Gefühle. Da ist einerseits der Wunsch nach Authentizität – und andererseits die Angst vor Ablehnung. Denn wer lange versteckt war, weiß nicht, wie sicher es ist, sich zu zeigen.

Hinzu kommt: Das Masking wird nicht einfach „abtrainiert“. Es ist tief verwurzelt, manchmal kaum bewusst. Es aufzugeben bedeutet nicht nur, neue Wege zu finden – es bedeutet auch, sich Verletzlichkeit zu erlauben. Und das braucht Zeit, Sicherheit und Selbstmitgefühl.

Und wie kann es leichter werden?

Es gibt keine pauschale Lösung. Aber es gibt erste Schritte. Und manchmal reicht es schon, sich selbst bewusster wahrzunehmen. Ein paar Impulse, die hilfreich sein können:

  • Fragen Sie sich: In welchen Situationen habe ich das Gefühl, eine Rolle zu spielen?
  • Beobachten Sie, wie sich Ihr Körper anfühlt, wenn Sie „funktionieren“.
  • Achten Sie auf Erschöpfungssignale – und nehmen Sie sie ernst.
  • Suchen Sie Menschen, bei denen Sie sich sicher genug fühlen, ein kleines Stück Maske abzulegen.

Und vor allem: Seien Sie freundlich mit sich selbst. Masking war einmal notwendig. Und vielleicht ist es das in manchen Momenten auch heute noch. Aber das bedeutet nicht, dass Sie für immer darin gefangen bleiben müssen.

Ein anderer Blick auf sich selbst

Masking ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von Intelligenz, Sensibilität und der Fähigkeit, sich anzupassen. Aber Anpassung darf nicht Selbstverleugnung bedeuten.

Es braucht Mut, sich selbst zu entdecken – jenseits der erlernten Rollen. Vielleicht beginnt dieser Weg mit kleinen Schritten: mit einem ehrlichen „Nein“, mit einer Pause, mit dem Gedanken „Ich darf auch so sein, wie ich bin“.

Wenn Sie sich in diesen Zeilen wiederfinden, dann wissen Sie vielleicht schon längst, wie viel Sie täglich leisten. Vielleicht ist genau jetzt der Moment, um sich selbst dafür anzuerkennen – leise, aber klar.

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Anne Stangenberg
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