Anne Stangenberg

Heilpraktikerin (Psychotherapie)

Autismus = Kind mit Kopfhörern und Dino-Wissen?


  • Warum stereotype Bilder über Autismus zu kurz greifen
  • Was viele nicht sehen: Erwachsene, Frauen, stille Kämpfer
  • Zwischen Anpassung, Erschöpfung und innerer Welt
  • Was ein differenzierter Blick verändern kann
  • Gedanken, die vielleicht bleiben dürfen

Vielleicht haben Sie ein bestimmtes Bild vor Augen, wenn Sie das Wort „Autismus“ hören.
Ein Kind, das sich die Ohren zuhält.
Ein Junge, der alles über Dinosaurier weiß.
Vielleicht sogar eine Figur aus einem Film oder einer Serie: hochintelligent, ein wenig schrullig, sozial unbeholfen.

Solche Bilder sind nicht falsch – aber sie sind eben nur ein Ausschnitt.
Ein kleiner Teil einer viel größeren Wirklichkeit.
Und manchmal stehen diese Bilder im Weg. Vor allem dann, wenn sie darüber hinwegtäuschen, wie vielfältig, individuell – und wie still Autismus auch sein kann.

Warum stereotype Bilder über Autismus zu kurz greifen

Autismus wird oft auf das reduziert, was von außen auffällt: Reizempfindlichkeit, Spezialinteressen, Schwierigkeiten in der Kommunikation. Das alles kann vorkommen – aber nicht bei allen, und nicht immer gleich.

Die Diagnosekriterien sprechen von „sozialer Interaktion“, „einschränkenden Verhaltensmustern“, „abweichender Wahrnehmung“.
Was das im Alltag bedeutet, ist jedoch schwerer zu greifen.

Viele Autisten (auch wenn sie längst keine Kinder mehr sind) passen sich so gut an, dass ihre Schwierigkeiten unsichtbar bleiben. Und nicht wenige kämpfen jahrzehntelang mit dem Gefühl, „irgendwie anders“ zu sein – ohne jemals auf die Idee zu kommen, dass Autismus eine Erklärung sein könnte.

Was viele nicht sehen: Erwachsene, Frauen, stille Kämpfer

Autismus wird immer noch häufiger bei Jungen im Kindesalter diagnostiziert. Und ja – sie gibt es: die Kinder mit Kopfhörern und dem unglaublichen Dino-Wissen. Aber sie sind nicht der Autismus.

Viele Erwachsene – insbesondere Frauen und nicht-binäre Menschen – fallen jahrelang durchs Raster. Weil sie gelernt haben, sich anzupassen. Weil sie höflich, fleißig und „unauffällig“ sind.
Weil sie ihre Reizüberflutung überspielen, ihre Überforderung verschweigen, ihre Ängste kaschieren.

Und oft stellen sie sich selbst infrage, wenn sie nicht in das öffentliche Bild passen:
„Kann ich wirklich autistisch sein, wenn ich Smalltalk hinbekomme?“
„Wenn ich Mutter bin, arbeiten gehe, lache, weine, liebe?“
Die Antwort ist: Ja.

Zwischen Anpassung, Erschöpfung und innerer Welt

Viele Menschen im Autismus-Spektrum sind Meister im Maskieren. Sie beobachten, kopieren, interpretieren, wägen ab. Und sie bemühen sich oft enorm, Erwartungen zu erfüllen – selbst wenn diese sie überfordern.

Was nach außen funktioniert, hat innen einen Preis: Reizüberflutung. Soziale Erschöpfung. Rückzugsbedürfnis.
Nicht selten chronische Erschöpfung, Angstzustände, Depressionen.

Die innere Welt ist oft reich, tief, intensiv. Sie ist durchdacht, strukturiert, manchmal auch schwer zugänglich – aber immer echt.
Was vielen fehlt, ist ein Gegenüber, das nicht nur nach Auffälligkeit sucht – sondern zuhört, fragt, mitdenkt.

Was ein differenzierter Blick verändern kann

Wenn wir beginnen, Autismus nicht mehr mit bestimmten Bildern zu verwechseln, wird der Raum größer.
Es wird möglich, sich selbst wiederzuerkennen – auch wenn man nicht laut ist, nicht kindlich wirkt, keine Technikliebe hegt.

Es wird auch möglich, anderen Menschen anders zu begegnen. Mit weniger Urteilen, mehr Offenheit.
Und vielleicht beginnt dann etwas Wichtiges: Dass nicht mehr nur die Diagnose gesehen wird, sondern der Mensch.

Autismus ist nicht die Summe von Symptomen.
Es ist eine Art, die Welt zu erleben – und oft auch ein Versuch, in ihr zurechtzukommen, ohne sich selbst zu verlieren.

Und was bleibt?

Vielleicht kennen Sie jemanden, bei dem Sie jetzt anders hinsehen wollen.
Vielleicht spüren Sie, dass diese Gedanken auch etwas mit Ihnen selbst zu tun haben.
Vielleicht merken Sie, wie eng bestimmte Vorstellungen waren – und wie befreiend es sein kann, sie zu hinterfragen.

Autismus ist nicht entweder „offensichtlich“ oder „nicht echt“.
Er ist nicht immer laut, nicht immer sichtbar, nicht immer erklärbar.
Aber er ist da.
Und wer bereit ist, genau hinzuschauen, sieht mehr als Kopfhörer und Dino-Fakten.

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Anne Stangenberg
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